Ein Kleinod der Natur soll zerstört werden
Auf den ersten Blick fällt einem nichts auf. Da ist eine idyllische Obstbaumwiese mit schattenspendenden Kirsch- und Apfelbäumen, einem ehemaligen Hühnerstall und ein Gemüsebeet. Der Wiese schließt sich ein gelbähriges Kornfeld an, das noch weit in die Landschaft hineinreicht, in näherer Umgebung den Hang hinauf Bäume und Sträucher, schließlich ein Waldgebiet. In südlicher Angrenzung einige Häuser in Reih und Glied, mit liebevollen Vorgärten, verbunden durch eine Sackgasse, der „Wasenbreite“, deren Namen von dem kleinen beschriebenen Naturgebiet übernommen wurde.
Wer hier den Wegen entlang spaziert, sei es mit Hund, Kinderwagen, zum Nordic Walking oder mit dem Fahrrad unterwegs ist, hält gerne inne, um den Zauber der ansprechend lieblichen Atmosphäre in sich aufzunehmen. Es ist friedlich, Insekten schwirren, Vögel sind hier zu Hause, am Himmel kreisen Milan, Habicht und Bussard, abends sind kleine Fledermäuse unterwegs. Die Ähren wiegen leise im Wind.
Über allem liegt ein wirkmächtiger Friede. Am Rande Ammerbuch-Poltringens, bei den Sportplätzen, Richtung Pfäffingen.
Diesem Idyll, diesem kleinen „Naherholungsgebiet“, soll nun unwiederbringlich der Garaus gemacht werden! Warum? Weil dieses Stück Land in den 1960er Jahren als mögliches Gewerbegebiet ausgewiesen wurde und weil nun Amtsträger der Gemeinde Ammerbuch in angeblicher Ermangelung anderer Möglichkeiten sich auf dieses ca. 1,3 Hektar große Stück Erde stürzen. Denn: es ist ja nicht viel Boden, und gemeinde- und ortsansässige Betriebe zeigen Interesse, sich dort anzusiedeln. Sprich: Versiegelung und Verbauung sind im Anmarsch.
Der Ortschaftsrat Poltringen hat in seiner letzten Sitzung, unter reger Teilnahme der Öffentlichkeit, beschlossen, einen von drei Bebauungsvorschlägen dem Ammerbucher Gemeinderat zu empfehlen.
Ich verstehe die Interessen Einzelner und kommunaler Amtsträger, ich verstehe nicht, wie man ein Bebauungsvorhaben durchsetzen will, das völlig aus der Zeit gefallen ist! Anstatt von einer gesunden Natur zu erhalten, was noch zu erhalten ist, anstatt zu schützen, was uns am Leben erhält, nämlich ein gesunder Boden, bewohnt von einer Flora, die den Boden feucht hält, Nahrung und Schatten gibt, Luft zum Atmen, wird weitergemacht wie bisher. In den 1960er bis 2000er Jahren war dieses Handeln noch in Ordnung, da wussten wir es nicht besser. Aber heutzutage, im Angesicht dessen, dass wir unseren Lebensraum mehr und mehr einengen und zerstören und zwar für unendlich viele kommende Generationen, ist es für mich unverantwortlich, nicht weiter nach Lösungen zu suchen und dieses Filetstück „Wasenbreite“ zu erhalten, als das, was es noch ist: Ein Stück Natur, was uns allein mit seinem Vorhandensein beschenkt. Es lassen sich sicher noch konstruktive Alternativen finden, die zu einer Zufriedenheit Interessierter und der Gemeinde führen, gedanklich und geographisch. Ich appelliere an alle Ammerbucher und an die Mitglieder des Gemeinderates: Kommen Sie in die Wasenbreite, mit Familie, Freunden, Enkelkindern oder alleine – und lassen Sie diese Natur hier auf sich wirken, machen Sie sich Ihre eigenen Gedanken und lassen Ihr Herz sprechen. Und an die einzelnen Mitglieder des Gemeinderates. Welche Entscheidung Sie auch immer bei der Abstimmung über die Zukunft der Wasenbreite treffen und dafür Ihre Hand heben, folgen Sie Ihrem Gewissen, nachdem Sie dieses Kleinod der Natur auf sich haben wirken lassen, es wirklich erlebt haben. Und nicht nur als eine gemalte Skizze, die ein kleines Stück Boden in einem der Teilorte Ammerbuchs abstrakt abbildet, gesehen haben.
In Anlehnung an einen berühmten Satz eines berühmten amerikanischen Präsidenten können Sie dann sagen: „Ich bin ein Wasenbreitler!“
Karl-Heinz Knebel, Ammerbuch-Poltringen
Leserbrief zum Artikel "Möglichst geräuscharmes Gewerbe"
im Schwäbischen Tagblatt, Donnerstag, 13. Juli 2023